Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, in Abhängigkeit davon, in welcher Phase der Verbreitung des Virus wir uns befinden, unterschiedliche Kennzahlen zu betrachten.
Zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus sind Kennzahlen wie die Verdopplungszahl oder der mittlere prozentuale Anstieg der bestätigten Neuinfektionen pro Tag (gemittelt über eine festgelegte Anzahl Tage, z.B. fünf oder sieben Tage) sinnvolle und leicht intuitiv erfassbare Kennzahlen.
Sobald der prozentuale tägliche Anstieg der bestätigten Neuinfektionen jedoch nach und nach sinkt – in Italien liegt dieser nunmehr bereits bei nur noch 5% – sollten jedoch andere Kennzahlen betrachtet werden als etwa die Verdopplungszahl. Denn: Andere Kennzahlen besitzen eine höhere Aussagekraft, wenn wir beurteilen möchten, wo wir bei der Bekämpfung der Pandemie stehen: Nicht mehr die prozentuale Steigerung der Gesamtzahl der Infizierten oder die daraus abgeleitete Verdopplungszahl sind dann die besten Indikatoren, sondern vielmehr die absoluten Zahlen der Neuinfektionen pro Tag im zeitlichen Verlauf.
Wir haben hierfür im Rahmen dieses Blogs Kennzahlen wie „3/14 Growth Indicator“ und „3/7 Growth Indicator“ vorgeschlagen. Was hat es damit auf sich? Wir betrachten hier ganz einfach ermittelbare und ebenfalls intuitiv leicht verständliche Größen, nämlich: Die mittlere Anzahl der Neuinfektionen der letzten drei Tage dividiert durch die mittlere Anzahl der Neuinfektionen der letzten 7 Tage oder z.B. 14 Tage.
Ein Wert größer 1 bedeutet, dass die Anzahl der Neu-Infektionen tendenziell steigt, ein Wert nahe bei 1 heißt, dass die absolute Anzahl der bestätigten Neu-Infektionen pro Tag näherungsweise gleich bleibt und ein Wert deutlich kleiner 1 zeigt an, dass die Zahlen tendenziell sinken.
Der Vorteil des Growth Indicators aus unserer Sicht: Wenn z.B. 60.000 Menschen sich vor vielen Wochen infiziert haben und mittlerweile größtenteils wieder genesen sind, dann geht diese Zahl in die von uns vorgeschlagenen weiteren Kennzahlen nicht ein (anders als bei Verwendung der Verdopplungszahl). Wir sehen daher mit diesen Kennzahlen viel besser, wo wir im Moment stehen.
Ein Blick zum Beispiel auf die Zahlen von Südkorea belegt dies: Wenn man sich die prozentuale Steigerung der bestätigten Infektionen im zeitlichen Verlauf seit dem 01.04.2020 anschaut, erkennt man eine signifikante Verminderung dieser Kennzahl seit dem 1. März, während man ab ca. Mitte März keine wesentlichen Änderungen mehr erkennt.

Im Vergleich dazu zeigt der Verlauf des 3/7 Growth Indicators deutlich, dass die Anzahl der bestätigten Neuinfektionen pro Tag ab ca. dem 12. März wieder tendenziell steigt. Die Kennzahlen schwanken seit ca. zwei Wochen um den Wert 1, was bedeutet, dass es im Moment weder einen exponentiellen Anstieg noch ein signifikantes Absinken der Zahlen zu verzeichnen gibt.

Noch deutlicher zeigt sich die geänderte Tendenz in Südkorea seit ca. Mitte März 2020 bei Betrachtung des 5/20 Growth Indicators:

Auch wenn die mittlere prozentuale Steigerung der bestätigten Infektionen in Südkorea weiterhin sehr gering ist – und die Verdopplungszahl dementsprechend hoch – zeigt ein Blick auf die Growth Indikatoren daher, dass weiterhin große Vorsicht geboten ist.